Es soll summen und brummen Teil 2

Märchenhaft geht es weiter beim Wildpflanzen- und Streuobstwiesenprojekt Green Wave.

Valeska und Regina schlagen Alarm. Die kleine Nancy ist in Gefahr. Kann Graf Althans sie retten?

Eine märchenhafte Betrachtung zur Entwicklung des Streuobstwiesen- und Wildpflanzenprojektes Green Wave.

Es war einmal eine kleine Streuobstwiese in der Wesermarsch, umgeben von Weiden und Wiesen, auf denen friedlich bunte Kühe und Kälber grasten.

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Die kleine Streuobstwiese Green Wave wurde in einer heißen Zeit geboren, die Sommertemperaturen stiegen stetig an und es fiel immer weniger Regen. Doch  menschliche Freunde der Streuobstwiese schauten positiv in die Zukunft und ahnten nichts von den schweren Zeiten, die noch kommen sollten. Die Wiese bestand aus 23 Bäumchen, die allesamt nur eines wollten: Eine pflanzliche Gemeinschaft bilden und selber groß und prächtig werden. Die Bedingungen waren bestens, der Boden war wertvoll, es wurde nie gespritzt oder gedüngt. Nur der mangelnde Niederschlag machte allen Sorge.

Viele Kräuter und Insekten freuten sich indes über eine unbeschwerte Zeit. Wunderschöne Schmetterlinge segelten durch die Luft und labten sich an unzähligen Disteln.

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Ab und zu kamen drei Pferdchen vorbei und naschten mal hier und mal da an den Gräsern und Kräutern, aber sie blieben auf Abstand zu den Obstbäumchen. Es herrschte eine friedliche Atmosphäre und allenthalben machte sich hoffnungsvolle Erwartung breit.

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Klima oder Wetter?

Es gab Tage in jenen Jahren mit ausreichend Regen, großen weißen Wolken am Himmel und angenehmen Temperaturen. Leider aber war es zu trocken und die anderen großen Bäume um sie herum stöhnten mächtig. Und es gab Wochen, in denen Frau Alkmene, der Schöne von Herrenhut, Valeska und Regina, Frau Köddel, Erwin Bauer und die dunkelrote Safira nicht genug zu trinken hatten. Viele Stunden standen sie dann in der brennenden Sonne und warteten sehnsüchtig auf Regen. Jeden Tag kam die Sonne eher zum Vorschein und jeden Tag kletterten die Temperaturen höher. Die Situation war für die jungen Obstbäumchen nicht einfach, sie litten unter der Trockenheit. Und die Menschen sprachen vom Klimawandel, der ihnen zu schaffen mache.

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Der Umzug vom Obstbaumproduzenten auf die kleine Streuobstwiese im April war  problemlos verlaufen, ein jeder hatte sich schnell auf ein gutes Plätzchen auf der weitläufigen Wiese einigen können. Jeder hatte einen respektablen Abstand zu seinen Nachbarn bekommen, man konnte sich sehen, ging sich aber nicht auf den Wecker. Social distancing auf zehn Meter wurde hier gelebt, auch ohne Corona.

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Wilde Horden

Die menschlichen Freunde gaben sich viel Mühe. Sie hegten und pflegten ihre neuen Obstbaumkumpel und jeder von ihnen bekam eine Standstütze und ein kleines Zäunchen, damit die wilden Horden sie nachts nicht angreifen konnten. Denn auf der Streuobstwiese herrschte reger Durchgangsverkehr. Immer wieder zogen marodierende Banden durch, die nichts Besseres zu tun hatten, als die jungen Zweiglein anzuknabbern oder Löcher in die Füße zu fressen. Herr Topaz und der Rote Astrachan staunten nicht schlecht, wenn nächtens braune Gesellen ihre langen Hälse reckten und mal hier und mal da probierten, wer wohl am besten schmecken würde. An ihren Füßen kitzelte es öfter, wenn die Blinden wieder mal unterwegs waren.

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Feuchte Hilfe

Manchmal hatten ihre menschlichen Freunde ein Einsehen und ließen Wasser durch einen Schlauch direkt an ihre Füße laufen. Das tat gut und half ihnen zu überleben. Das kühle Nass aus der Zisterne belebte ihre Füße und ließ sie auf bessere Zeiten hoffen.

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Manchmal taten sie das wöchentlich. Jeden Tag kamen die Freunde und sprachen ihnen Mut zu, denn an ihrem neuen Standort mussten die Obstbäumchen erst einmal ankommen, sich dort wohlfühlen. Sie gaben jedoch nicht auf und kämpften sich ins Leben mit schönen grünen Blättchen und frischen Ästchen, die jeden Tag größer wurden. Einige von ihnen versuchten es sogar mit ersten Blüten. Schließlich war es Frühjahr und da gehört es sich für einen richtigen Obstbaum zu blühen, um später kleine Früchtchen zu bekommen. Familienplanung von der ersten Minute an.

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Doch es gab noch weitere Herausforderungen zu bewältigen. Die Obstbäumchen gewöhnten sich langsam an ihre neue Umgebung und sahen sich gegenseitig beim Wachsen und Blattaustrieb zu. Alles schien unbeschwert und die Obstbaumgemeinschaft wuchs langsam zusammen.

Nancys Traum vom Leben

Eine von ihnen hätte es beinahe nicht geschafft. Die menschlichen Freunde hatten es zuerst gar nicht bemerkt. Die kleine Mirabelle Nancy war krank geworden, ihr hatte die Hitze zu stark zugesetzt. Sie schrie nach Wasser, aber keiner hörte sie. Als ihr Rufen leiser wurde, war es fast zu spät.

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Doch am nächsten Tag wendete sich ihr Schicksal und der junge Graf Althans kam auf seinem Fliegenschimmel angeritten. In der Hand trug er eine orangefarbene Gießkanne, die gefüllt war mit erfrischendem Wasser. Er stieg von seinem stolzen Ross, ließ die Zügel fallen und kniete sich neben ihr nieder. „Kleine Nancy, ich habe lange nach dir gesucht und nun habe ich dich endlich gefunden“, sprach der Graf. Er legte seine Hände um sie und strich ihr sanft das Stämmchen hinunter. Dann nahm er die orangefarbene Gießkanne und kippte sie langsam zu den Füßen der kleinen Nancy aus. Sie merkte wie es langsam feuchter wurden, wie sich das Nass zwischen ihre Zehen schob und sie kühlte. Sie genoss es in vollen Zügen. Der Graf leerte die Gießkanne vollständig aus und sah die die kahle Nancy lange an. Noch einmal strich er ihr über die nackten Ästchen und unterdrückte eine große Träne, die ihm die Wange hinunterlaufen wollte. Dann verabschiedete er sich von ihr. Er setzte sich wieder auf seinen stolzen Araber und winkte der kleinen Nancy zum Abschied. Nancy blieb zurück und sog das Wasser in sich auf. Sie war sehr schwach und konnte nichts mehr sagen. Nebenan hörte sie die Ungarische Beste in ihr Taschentuch schnäuzen und auch die Zeteler Zuckerbirne schluchzte beim Anblick der kleinen Nancy. Die Verzweifelung war groß, doch niemand konnte wirklich helfen.

Lange Zeit war nicht klar, was passieren würde. Die kleine Nancy hatte all ihre frischen Blättchen verloren, die sich im April gebildet hatten. Ganz nackt stand sie da, sie sah nun sehr hässlich aus mit ihrem dünnen Stamm und ihren mageren Ästchen. Die menschlichen Freunde jammerten bei ihrem Anblick, doch die kleine Nancy konnte nichts mehr sagen. Sie stand einfach nur da.

Pickelalarm

Nach zwei Wochen jedoch geschah etwas Unerhörtes. Nancy bekam so kleine Pickelchen im unteren Bereich. Sie konnte es selber nicht ganz glauben. So etwas kannte sie aus ihrer frühen Kindheit. Die Pickelchen wuchsen und wurden immer dicker. Die menschlichen Freunde schauten sich die Sache genauer an, schüttelten aber den Kopf. Nach einer weiteren Woche platzten die Pickelchen plötzlich auf und Nancy war selber ganz euphorisch, denn sie wusste, was das bedeutete. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte es allen zugerufen. Doch sie war ja ein Obstbäumchen, welches seinen Platz nicht verlassen durfte. Ganz klein und zart puhlten sich da aus den Pickelchen kleine hellgrüne Blättchen heraus. Ja, es waren wirklich kleine Blättchen, die da wuchsen. „Ich lebe also doch noch“, dachte sie. Die menschlichen Freunde schauten zunächst ungläubig und fingen dann an zu lachen und zu singen. Sie bildeten einen Kreis, nahmen auch die gute Graue und Frau Borsumer an die Hand und tanzten um die kleine Nancy, dabei lachten und jauchzten sie vor Freunde. Die junge Mirabelle hatte doch tatsächlich noch einmal frische Blättchen ausgetrieben und zeigte so ihren unbedingten Willen zu überleben. Die Freude war riesengroß, alle waren total erleichtert. Jeden Tag wurden die jungen Ästchen länger, immer mehr Blättchen kamen zum Vorschein. Ihr Kopf blieb zwar kahl, aber im Hüftbereich war die kleine Nancy jetzt wieder mit vielen Blättchen bekleidet und sie sah hübsch damit aus.

Alles geben

Die menschlichen Freunde schauten nun jeden Tag genau hin und versprachen der kleinen Nancy, sie nicht im Stich zu lassen. „Hier darf jeder überleben“, sagten sie und gingen einen Pakt ein: „Du darfst nun wachsen, wie du möchtest. Wir werden dich nicht behindern oder erziehen“, versprachen die menschlichen Freunde. Das Obstbäumchen freute sich sehr und versprach ihrerseits, sich die größte Mühe zu geben, denn sie wollte unbedingt weiterleben an diesem schönen Ort. Auch die anderen Freunde auf der Streuobstwiese freuten sich über die zweite Geburt der kleinen Nancy und wünschten ihr viel Glück.

Obstbaum
Noch sieht die kleine Nancy aus wie ein gerupftes Huhn … aber 2021 …

Das wird sie in Zukunft weiter brauchen, denn der Klimawandel schreitet voran und so ein junges Obstbäumchen benötigt bis zu fünf Jahre, um an seinem Standort zukunftsfähig anzuwachsen, um später dann auch noch leckere Früchte zu produzieren.

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Und wenn sie nicht gestorben sind, dann kommt jeden Tag einer mit einer Gießkanne vorbei und dann leben sie noch heute.

Autor: Beatrix Schulte

Fotografin, Künstlerin, Autorin. Die Fotografie und das Schreiben ist für mich nicht nur Beruf, sondern auch Berufung. Ich lebe seit 24 Jahren auf einem Resthof in der Gemeinde Stadland zusammen mit meinen Pferden, zwei Hunden und meinem Liebsten. Wir haben ein 28.000 m² großes naturnahes Grundstück, auf dem wir tagtäglich nachhaltig zu leben versuchen und auch den Wildtieren und Wildpflanzen um uns herum einen Raum zum Leben zu gönnen. Hier wird Permakultur mit Waldgartencharakter betrieben.

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