Erst erhalten, dann verzehren!

Ein Besuch im Vielfaltsgarten Deichtomate von Renate Düring bringt uns Bloggern unbekannte Seh- und Geschmackserlebnisse. Ein Interview gibt Einblick in ihren Alltag als engagierte Gärtnerin.

Gärtnern zur Selbstversorgung und zum ERhalt der alten Nutzpflanzen.

Alte Nutzpflanzen sind wertvolle Kulturgüter

Ein Hausbesuch im Vielfaltsgarten Deichtomate. VEN-Regionalleiterin Renate Düring öffnet in Schweiburg ihre Gartenpforte und gibt Einblick in ihren vielschichtigen Garten. Sie betreibt ihn seit etlichen Jahren mit Erfolg und viel Liebe zum Detail. Besonderes Augenmerk legt sie auf alte Bohnensorten, für deren Erhalt sie sich aktiv einsetzt. Sie betreut eine Bohnengruppe mit 50 Mitgliedern.

Auf den Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt VEN bin ich schon letztes Jahr gestoßen. Auf dem Staudenmarkt in Tossens wollte ich nur mal eben die Bio-Tomaten erwerben. Dann fiel mir ein kleiner Stand auf, hinter dem eine ältere Dame freundlich ihre papiernen Samentütchen präsentierte und auch gleich bereitwillig anfing, über ihre alten Bohnensorten zu berichten. Sie suchte wie in jedem Jahr dringend neue Bohnenpaten. Da ich zu diesem Zeitpunkt für mich selbst noch keine Möglichkeit sah, eine dieser seltenen Bohnensorten anzupflanzen (ich hatte ehrlich gesagt genug von der Schneckeninvasion der zurückliegenden Jahre und wollte die Bohnen nicht diesem grausamen Schicksal aussetzen), notierte ich mir ihren Namen und empfahl sie einer Freundin. Erst im Winter fiel mir der VEN wieder ein und ich nahm mir vor, für meine Permakultur einige robuste Sorten zuzulegen. Letztlich bestellte ich bei Dreschflegel die Buschbohne „Tant Meti“ und die Stangenbohne „Spatzeneier“. Beide sind prima bei mir gewachsen und haben lecker geschmeckt.

Tomatenverkostung mit Ananastomate
Bei der Tomatenverkostung gab es Exoten wie die Ananastomate, die vor allem durch ihre schöne Optik überzeugen konnte.

Tomatenverkostung reizt die Geschmacksknospen

Etwas verspätet, aber nicht zu spät nahm ich vor ein paar Wochen Kontakt zur hiesigen Regionalgruppe Nordwest des VEN auf und musste nicht weit fahren, denn die Leiterin Renate Düring wohnt nur acht Kilometer von mir entfernt. Ich habe mich zu einem kleinen Plausch mit einer anschließenden Gartenführung bei Renate angemeldet. Einen Ausschnitt des Interviews könnt ihr im Video weiter unten sehen und auch weiter unten in ausführlicherer Form nachlesen. Auch unsere Blogger-Gruppe stattete der passionierten Gärtnerin und Bohnenerhalterin einen Besuch ab und erfuhr Vieles zum Thema alte und seltene Bohnen-, Tomaten- und Kartoffelsorten. Das Highlight unseres Besuches war die Tomatenverkostung, die nach einem ausgiebigen Rundgang durch den insektenfreundlichen Garten auf dem Programm stand.

Tomatenverkostung bei Renate Düring, VEN.
Paul Robson oder Black Cherry sehen zunächst ungewöhnlich aus, punkten aber mit einem hervorragenden Geschmack.

Eine gelbe Ananastomate, eine grün gestreifte „Green Zebra“ oder eine bis in den Winter hinein lagerfähige schokofarbene „Paul Robson“ Tomate waren für uns eine kulinarische Überraschung und Hinweis auf die große unbekannte Vielfalt alter Nutzpflanzensorten. Bei den Bohnen waren es die „Wesermarsch-Paddleger“, die seltene „Blaue Bamberger“ oder eine tschechische Stangenbohne, die „Liscek“, die unser Interesse weckten. Wir erfuhren etwas zu Pflanzenkrankheiten, ließen uns den platzsparenden Kartoffelturm erläutern oder lernten etwas über die Kompostwirtschaft, dem Herzstück eines jeden Gartens. Bei Kaffee und Tomatenpizza schauten wir staunend auf die Vielfalt der Bohnen, die in zwei Schaukästen präsentiert wurden. Im Laufe des Nachmittages reifte bei uns Bloggern langsam der Wunsch, im kommenden Jahr ebenfalls die ein oder andere alte und teilweise sehr seltene Tomaten- und Bohnensorten im eigenen Garten anzupflanzen und so zu einem Bohnen- oder Tomatenpaten zu werden.

Mischkultur gehört zum Prinzip des Vielfaltsgartens von Renate Düring.
Bereitwillig erläutert Renate Düring uns Bloggern wie sie ihre Bohnen, Tomaten und Kartoffeln pflegt und das Saatgut gewinnt.

Gärtnern aus Überzeugung

Seit ihrer Jugend gärtnert und ackert die Schweiburgerin Renate Düring aus Leidenschaft und Überzeugung. Zum VEN kam die Rentnerin aber erst vor 3 Jahren. Der Nutzgarten und die Erhaltung von alten Sorten ist zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden. Auf rund 700 m² finden nicht nur erstaunlich viele alte Nutzpflanzen Platz, hier wird auch aktiv an deren Erhaltung mitgewirkt. Aktiv sucht Renate Düring auch das Gespräch mit anderen Hobbygärtnern, um auf diese Weise Bohnenpaten zu finden, die sich bereit erklären eine bestimmte Sorte zu vermehren, um an deren Erhaltung mitzuwirken.

Russsiche Reisetomate im Vielfaltsgarten von Renate Düring.
Die russische Reisetomate zählt zu den kuriosesten Tomatensorten , die Renate Düring anbaut.

Seit 20 Jahren baut sie selbst Tomaten an und hat schon bald mit der Saatgutgewinnung begonnen. Vor drei Jahren machte die Schweiburgerin eine merkwürdige Beobachtung. Aus einer eigentlich gepflanzten Cherry-Tomate entwickelte sich im Laufe des Sommers eine Paprika! Das weckte die Neugier von Renate Düring und sie versuchte dieser Laune der Natur auf den Grund zu gehen. Schnell stieß sie auf das Thema der alten samenfesten Sorten und der F1-Hybriden (1.Generation nicht samenfester Sorten, die stark variiert gegenüber den Elternpflanzen) und schließlich entdeckte sie den gemeinnützigen VEN. Mit Bedauern stellte sie fest, dass schon viele alte Sorten ausgestorben sind, weil sie in den Gärten nicht mehr angebaut werden.

Renate Düring engagierte sich schnell im VEN und ist heute die Leiterin der VEN-Regionalgruppe Nordwest. Auf Märkten und Samenfesten macht sie regelmäßig Werbung für den Verein und vor allem für den Erhalt und den Anbau der alten Nutzpflanzen. Neben Bohnen, Tomaten und Kartoffeln vermehrt sie auch Mangold, Rote Beete und einiges mehr. Ihre Begeisterung für die alten Sorten und das Gärtnern ist ansteckend, denn auch ihre zehnjährige Enkelin interessiert sich brennend für die Pflanzen. Sie hat einen eigenen kleinen Garten, in dem sie unter anderem auch Bohnen anpflanzt. Inzwischen ist auch eine Kindergruppe entstanden, deren Mitglieder Bohnenpatenschaften übernommen haben.

Sehen und hören Sie hier einen kurzen Ausschnitt aus dem Interview:

 

Buschbohnen und Stangenbohnen in der Bohnenausstellung von Renate Düring.
Stolz präsentiert Renate Düring ihre beiden Bohnenausstellungen, in denen sie akribisch notiert, für welche Bohne sie noch Paten und Vermehrer sucht.

Interview

Mit Renate Düring habe ich im Mai ein Interview geführt und dabei viel über die tägliche Praxis erfahren. Nach dem Gespräch habe ich mir die seltene „Blaue Bamberger“ und die ebenfalls seltene „Wiener Treib“ mitgenommen und in meinem Garten gesät und kultiviert. Alle 20 Bohnen sind gekeimt und ich konnte von ihnen Bohnen ernten und an Renate Düring zurückgeben. Die „Blaue Bamberger“, eine Körnerbohne, hat mich dabei so fasziniert, dass ich sie auch in Zukunft in meinem Garten anbauen werde.

 

Beatrix: Wieviele alte Sorten bauen Sie in ihrem Garten an?

Renate: Ich habe eine eigene Sammlung mit 100 Tomatensorten und baue jedes Jahr 50 Tomatensorten umschichtig an. Das Saatgut hält sich 3 bis 5 Jahre bei richtiger Lagerung. Kühl und dunkel.

Meine Bohnensammlung umfasst inzwischen 60 Sorten, davon habe ich in diesem Jahr 40 im Anbau.

Wieviel Anbaufläche haben Sie?

Ich schätze 700 bis 800m². Ich mache mir einen Plan für die Bepflanzung, weil ich die Fruchtfolge einhalten muss. Ich habe nämlich auch noch 24 Sorten Kartoffeln im Anbau. Eine Reihe Kartoffeln mit vier Büschen ergeben genügend Pflanzkartoffeln für nächstes Jahr. Ich habe zudem Patenbohnen aus der Schatzkiste in Schleswig-Holstein, die wieder hochnötig vermehrt werden müssen. Da habe ich dann teilweise nur drei bis acht Körner.

Können Sie bitte noch einmal die Schatzkiste genauer erläutern?

Die Bohnenschatzkiste ist ein Bohnendepot von einer Frau, die damit vor zehn Jahren angefangen hat und das inzwischen für den VEN macht. Sie hat selber 1000 Sorten Bohnen und pflegt den www.bohnen-atlas.de mit 2800 Sorten. Sie kann diese vielen Sorten nicht mehr alleine bewältigen, weil das Saatgut alle vier Jahre in die Erde muss.

Mangold zur Saatgutgewinnung bei Renate Düring
Zur Saatgutgewinnung darf dieser Mangold groß und ausladend wachsen.

Also müssen auch andere Gärtner mithelfen, damit diese alten Sorten rechtzeitig angepflanzt werden können?

Wir suchen immer Leute, die eine Bohne übernehmen möchten und anpflanzen möchten. Eine Bohnenpatenschaft definieren wir so: Im ersten Jahr nur für die Vermehrung, im zweiten Jahr für die Küche. Von der Ernte gibt man die Hälfte oder mehr zurück an den Verein und die andere Hälfte behält man zur weiteren Nutzung für sich selbst.

Wie machen Sie die Samen haltbar?

Trocknen auf einem Papiertuch. Man kann die Tomatensamen auch vorher einen Tag einweichen und dann erst trocknen. Bei Bohnen gilt: Gut am Strauch abtrocknen lassen und dann noch im Haus nachtrocknen. Dann ab ins Schraubglas. Auch Tomatensamen lagere ich in Schraubgläsern im dunklen kühlen Raum.

Geht die Lagerung auch in einer Papiertüte?

Ja, für den eigenen Anbau geht das auf jeden Fall. Aber für den Fall, dass man einen Bohnenkäfer hatte, den man leider nicht sieht, sind Gläser besser. Der Bohnenkäfer kann sich durch sämtliche Bohnenbestände durchfressen, die in Papiertüten oder Plastiktüten gelagert wurden.

Haben Sie bei einer schwierigen Sorte das Gefühl, dass sie sich von Jahr zu Jahr besser an die jeweiligen Bedingungen und den Standort anpasst und kräftiger wird, egal ob es ein gutes oder ein schlechtes Erntejahr war?

Ja, so wird es gesagt. Ich konnte das in den wenigen Jahren bei mir bisher noch nicht beobachten. Aber so sind ja auch die alten regionalen Sorten entstanden, die sich an die Wetterverhältnisse, Wind, Kälte, Boden, angepasst haben. Wir haben ostfriesische Sorten, die über Jahrzehnte angebaut wurden, wie zum Beispiel die Puffbohne aus Wymeer. Sie wurde von Reinhard Lühring, dem Grünkohlretter aus Rhauderfehn, gesammelt und angebaut.

Haben Sie hier im lokalen Bereich Leute die mitmachen?

Ja wir sind zurzeit 50 Personen. Es ist eine gut funktionierende Gruppe. Die meisten Leute pflanzen fürs Essen an. Bei mir ist zwar die Selbstversorgung aus meinem Garten schon ziemlich hoch angesiedelt, aber auch der Erhalt der Sorten.

Was ist beim Anbau zu beachten?

Busch- und Stangenbohnen sind Selbstbefruchter, aber eine Puffbohne wird durch ein Insekt fremdbestäubt. Dabei kann eine neue Kreuzung/Sorte entstehen. Und deshalb muss man bei Puffbohnen und bei Feuerbohnen von einer zur nächsten Sorte 150 Meter Abstand einhalten. Das bedeutet, man kann bei kleineren Gärten nur eine Sorte anbauen, wenn man sortenrein arbeiten will.

Die Befruchtung der Blüte findet in der geschlossenen Blüte statt. Wenn sie sich öffnet, ist die Befruchtung schon passiert. Es kann passieren, dass eine Hummel nicht an den Nektar herankommt und deshalb ein Loch von der Seite bohrt, um an den Nektar zu kommen. Dann gibt es eine Fremdbestäubung.

Was ist eine dringende Sorte, für die Sie Paten suchen?

Ich habe hier meine Bohnenausstellung mit Stangen- und Buschbohnen.

(Zeigt ihre beiden Holzkisten mit vielen kleinen Fächern, in denen sich Bohnensamen befinden.)

Diese habe ich schon im Bestand und kann sie abgeben. Und überall wo steht „Vermehrer gesucht“, suche ich noch Anbauer. Es sind ungefähr 30 Sorten und für 20 Sorten suche ich Vermehrer.

Im ersten Jahr geht es nur um den Erhalt, im zweiten Jahr um die weitere Vermehrung und Abgabe für andere Anbauer.

Es gibt Sorten, die vielleicht nur in einem Garten vermehrt werden. Dann gibt es davon auch nicht viele Bohnen. Die Leute suchen sich die Bohnen schon gut aus.

Das Wissen über die Sorten ist offenbar nicht weit verbreitet? ( Renate stimmt nickend zu.)

Man muss jedes Jahr darum kämpfen, dass die Sorten erhalten bleiben. Es ist kein Selbstläufer. Es braucht immer auch eine Organisation oder einen Verein, der das Ganze betreut und den Überblick behält, was im Umlauf ist, wo Anbauflächen sind, wo die Sorten im nächsten Jahr erhalten bleiben können. Das kann nicht nur eine Person leisten, diese Arbeit muss auf mehrere Schultern verteilt werden.

Ja, deshalb gibt es den Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt. Er arbeitet deutschlandweit und hat 1000 Mitglieder, die in 20 Regionalgruppen organisiert sind. Wir hier sind die Regionalgruppe Nordwest. Unsere Gruppe kümmert sich intensiv um die Bohnen, aber einige pflanzen schon Mangold oder Sellerie an. Wir haben den Anspruch der Sortenreinheit, was den Anbau manchmal schwieriger gestaltet.

Das war sehr interessant. Vielen Dank für das Gespräch.

Autor: Beatrix Schulte

Fotografin, Künstlerin, Autorin. Die Fotografie und das Schreiben ist für mich nicht nur Beruf, sondern auch Berufung. Ich lebe seit 24 Jahren auf einem Resthof in der Gemeinde Stadland zusammen mit meinen Pferden, zwei Hunden und meinem Liebsten. Wir haben ein 28.000 m² großes naturnahes Grundstück, auf dem wir tagtäglich nachhaltig zu leben versuchen und auch den Wildtieren und Wildpflanzen um uns herum einen Raum zum Leben zu gönnen. Hier wird Permakultur mit Waldgartencharakter betrieben.

3 Kommentare zu „Erst erhalten, dann verzehren!“

    1. Moin Addi, :-)
      Das klingt gut!
      Ruf uns doch gerne einmal im Kulturzentrum Seefelder Mühle an (04734-1236) und hinterlassen dort deine Kontaktdaten, damit wir sie an Renate weiterleiten können. Dann lässt sich bestimmt ein Treffen planen. Beste Grüße aus dem Kulturbüro und der Blogredaktion
      Linda

      (Linda Grüneisen)

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