Von A wie Amsel bis Z wie Zilpzalp – mit der Vogelbestimmungsapp auf Pirsch
Welcher Vogel ist das? Diese Frage habe ich mir öfters gestellt, jedoch schnell wieder verworfen, da mir die Bestimmung von Vogelstimmen zu kompliziert erschien. Manches kannte ich und konnte es zuordnen, einiges habe ich nicht mal wahrgenommen. Das sollte sich jetzt ändern.

Mit einem Elfchen in den Tag starten
Stille
orange Sonne
der Tag beginnt
erste Töne zarter Klang
Gezwitscher
Dieses Elfchen entstand eines Morgens, nachdem mich die Vögel wie im Frühjahr und Sommer üblich bei den ersten Morgenstrahlen geweckt hatten. Es mag ja einige Menschen geben, die sich dadurch gestört fühlen. Ich gehöre jedoch zu der Fraktion, die es möglichst natürlich mag und somit die Vogelstimmen als Teil der Natur betrachtet, die es nicht anzuzweifeln gilt.

Schnell wurde das Gezwitscher an diesem Morgen lauter, je höher die Sonne stieg. Zu dem Zeitpunkt hatte ich allerdings noch keine Ahnung, wer mich da so früh weckt und wer am Abend bis zu den letzten Sonnestrahlen seinen Gesang in die Welt flötet. Für mich waren das allesamt Vogelstimmen, die ich mal mehr mal weniger gut (er-)kannte und die mich einfach täglich begleiteten.
Durch Zufall entdeckte ich die App BirdNET und holte sie zunächst auf mein Tablet. Sie versprach, alle Vogelstimmen im In- und Ausland erkennen zu können. Das wollte ich unbedingt ausprobieren und endlich erfahren, wer da so in meiner direkten Nachbarschaft wohnt und täglich sein Liedchen in die Welt schickt.

Vogelstimmen per Software detektieren
Was soll ich sagen, die App funktionierte hervorragend, aber ich hatte noch die ganze Welt eingestellt, da ich meine GPS-Daten noch nicht freigegeben hatte. So tauchten dann als Vorschlag für die gesendeten Hörbeispiele der Nordamerikanische Carolina Chickadee oder der Northern Shrike oder der Diademhäher auf.
Erst als ich den Standortzugriff erlaubte, kamen nur noch einheimische Vögel. Zudem konnte ich eine Liste einsehen, in denen die am wahrscheinlichsten anzutreffenden Vögel aufgeführt waren.

Nach kurzer Einarbeitung in die App-Funktionen klappte die Detektierung sehr gut und so zog die App auch auf mein Smartphone, welches ich später deutlich häufiger für die Vogelbestimmung verwendete. Das kleine Mobilgerät ist halt schneller greifbar und so konnte ich mehr und mehr Vogelstimmen sammeln.

Waldkauz, Rohrdommel, Grünspecht und co
Über 60 verschiedene Vögel sind es bis heute bei mir geworden. Alle irgendwie auf unserem Grundstück beheimatet oder Durchreisende auf dem Weg zu nördlichen Brutgebieten. Im Herbst, wenn die Zugvögel kommen, könnten es noch mehr werden. Sowohl Durchzieher als auch standorttreue Vögel habe ich auf diese Weise genauer kennengelernt.

Neu kennengelernt habe ich beispielsweise die Mönchsgrasmücke, die immer bei uns ist und immer deutlich zu hören. Ich habe durch die App so sehr ihren Gesang verinnerlicht, dass ich ihr jetzt einen eignenen Namen gegeben habe: bei mir heißt sie „… grenzdebil“. Klingt komisch, liegt aber an dem unverwechselbaren Gesang im 2. Teil der Strophe. Ich höre immer grenzdebil, andere hören sicherlich etwas anderes. Mir hat sich die Vogelstimme so eingeprägt, dass ich sie nicht vergessen werde. Sie begleitet mich sobald ich in den Garten trete und auch durch das geschlossene Fenster kann ich sie hören.

Seltene Vögel entdecken
So ähnlich erging es mir auch mit anderen Vogelstimmen, die ich zwar seit Jahrzehnten kannte, aber nicht richtig zuordnen konnte. Bei mir war das alles was ich hörte entweder der Zaunkönig oder die Amsel, vielleicht noch die Kohlmeise und die Taube. Der Zilpzalp war für mich relativ neu, die Zuordnung der Singdrossel klappt jetzt besser, eine Gartengrasmücke hatte ich schon vermutet, den Gartenrotschwanz schon oft gesichtet, aber stimmlich waren sie eher Unbekannte.

Was sehr schön war: Eines Abends hörte ich einen sehr lauten Vogelruf, den ich noch nicht kannte. Es war nicht der Waldkauz, auch nicht die Schleiereule. Schnell zückte ich das Smartphone, stellte den Fernseher auf stumm, öffnete das Fenster und startete BirdNET. Der Vogel zog durch, das wurde schnell klar. Ich erwischte seine letzten lauten Rufe und ließ sie analysieren. Voila, eine Rohrdommel! Geil! Ein seltener Vogel, den ich ohne die App nicht erkannt hätte. Und so ging es noch mit zwei drei anderen Vögeln. Spät abends und ganz früh morgens kann man dann noch Überraschungen erleben.
Die App lohnt sich aus meiner Sicht, da sie auch weniger bekannte Vögel sicher detektieren kann.
Die aufgenommenen Vogelstimmen werden zur Zentrale der TU Chemnitz geschickt, wo sie ausgewertet werden. Ein Forscherteam aus Biologen, Ornithologen und Informatikern steckt ebenfalls hinter der App, welche die Daten auswertet und so mehr Informationen über die Verbreitung von Vögeln bekommt. Und zwar nicht nur für eine oder zwei Stunden im Jahr sondern rund um die Uhr das ganze Jahr über. So ergibt sich ein sehr viel umfassenderes Bild der Vogelwelt. Das Projekt wird von EU und vom Bund gefördert.

Fazit
Ich kann die App, die ohne Werbung auskommt, nur jedem empfehlen, der sich für die Vogelwelt interessiert und diese genauer kennenlernen möchte. Sie ist gut und einfach bedienbar, ziemlich zuverlässig – bei sehr vielen verschiedenen Vogelstimmen kommt sie manchmal ins Schleudern – und sie stellt die Vogelstimmen sogar visuell dar. Sie liegt nur selten daneben und zeigt manchmal nur vage Vermutungen an. Detektierte Vögel kann man direkt in Wikipedia genauer anschauen und mehr über ihre bevorzugten Standorte, ihr Zugverhalten oder ihre Ernährung erfahren. So lernt man schnell mehr über die gefiederten Gartenfreunde, wenn man es möchte.
Für mich war die App ein Gewinn, denn jetzt sehe ich meine Umwelt noch mal ganz anders und weiß sie umso mehr zu schätzen. Was man kennt, schützt man!