Während der letzten zwei Jahre habe ich mich kontinuierlich weitergebildet und unter anderem zweimal die sprichwörtliche Schulbank gedrückt. Zunächst im Präsenzunterricht im Rahmen der Weiterbildung zur Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen und gleich im Anschluss daran in Form einer Online-Weiterbildung zur Social Media Managerin.
In beiden Lernformaten wurde ich vor unterschiedliche Herausforderungen gestellt.

Nachhaltigkeit unterwegs und in der Schule
Im Unterricht vor Ort musste ich mit meinen Mitschüler*innen und Dozent*innen über die Frage diskutieren, ob der hohe Verbrauch an Flipchartpapier tatsächlich notwendig ist, wenn man ein White Board, einen Laptop und diverse digitale Präsentationsmethoden zur Verfügung hat.
Völlig frei entscheiden konnte ich hingegen, ob ich mir täglich eine Lunchbox mit selbst gekochtem Essen mit zur Schule nehme, oder in der Pause im Supermarkt irgendein in Kunststoff verpacktes Fertigessen kaufe. Oder ob ich für die unzähligen Mitschriften und Notizen neue Collegeblöcke anschaffe, statt die unbeschrifteten Rückseiten alter Akten zu benutzen.
Keine Wahl hatte ich wiederum, als es um die Frage ging, ob ich jeden Tag die Strecke Oldenburg – Butjadingen/Eckwarden mit dem Auto fahre (immerhin 130 km täglich!), oder ob es nicht viel nachhaltiger mit öffentlichen Verkehrsmitteln geht. Die Antwort lautete leider: Nein. Es ging nicht mit den Öffis, denn unser öffentlicher Nahverkehr auf dem Land ist so bescheiden ausgebaut, dass es mir nicht möglich gewesen wäre, morgens um 7:45 Uhr in der Weiterbildungsstätte anzukommen.

Ein Plus für die Nachhaltigkeit in Online-Weiterbildungen
Bei dem Onlinekurs, den ich mehrere Monate täglich besuchte, stellten sich all diese Fragen nicht, denn ich hatte keine Fahrtwege zu bewältigen, konnte mir mittags etwas in meiner eigenen Küche zubereiten und dank der ausschließlich digitalen Unterrichtsmaterialien war auch der Papierverbrauch kein Thema. Da ging es dann eher darum, ob man sich für Lerngruppen irgendwo trifft, oder ob man digital im virtuellen Raum zusammensitzt.
Diskussionen mit Aussicht auf Besserung
Habt ihr euch über solche Fragen auch schon mal Gedanken gemacht? Mich beschäftigt so etwas jeden Tag. Und mir fällt auf, dass die Situationen, in denen ich mich dafür rechtfertigen muss, nervig zu sein und genau solche Fragen zu diskutieren, erfreulicherweise weniger werden.
Das Verständnis für kritische Fragen zum Thema Nachhaltigkeit wächst also offensichtlich, auch wenn die Bereitschaft meiner Mitmenschen, selbst mitzumachen und nachhaltiger durch den Alltag zu manövrieren, nicht unbedingt spürbar steigt… Trotzdem: Es geht voran.
Nachhaltigkeit im Büro
Nun haben sich mein Ehrgeiz und meine Lernbereitschaft erfreulicherweise gelohnt. Denn seit einigen Monaten habe ich eine Stelle als Geschäftsführerin im soziokulturellen Verein Seefelder Mühle, also dem Ort, an dem Gutes Morgen, Stadland!, (der Blog, den ihr gerade lest ;-) ) geboren wurde.

Hier im Kulturverein wird das Thema NACHHALTIGKEIT groß geschrieben:
Das fängt im Kulturbüro, in dem ich mit meinen Kolleginnen am Schreibtisch sitze, an und zieht sich weiter durch unsere Veranstaltungsplanung bis hin zur Organisation des Mühlencafés.
Wir lernen täglich dazu und tun bereits einiges.
Wir…
- überlegen bei jeder Neuanschaffung, ob sie ökologisch und sozial nachhaltig ist
- achten darauf, keine unnötigen Drucke und Kopien zu produzieren
- drucken und kopieren wenn möglich in schwarz-weiß statt farbig
- haben alle Print-Werbeprospekte und -kataloge abbestellt und um Zusendung per Mail gebeten
- versuchen, Strom und Wasser zu sparen
- nutzen lieber Bleistifte als Kugelschreiber
- tackern ausgedruckte Papierseiten ohne Metallklammern zusammen
- nutzen Schmierpapier für Notizen statt Klebe-Post-Its
- stecken die Stecker von Kopierer, Drucker und Co nur dann ein, wenn wir die Geräte tatsächlich brauchen
- leihen Geräte auch mal aus, statt sie neu anzuschaffen
- haben entschieden, keine Flyer mehr für Konzerte und Workshops drucken zu lassen
- haben bei der Neugestaltung des Außengeländes der Mühle stark auf Nachhaltigkeit geachtet
- beteiligen uns an Aktionen zum Klimaschutz, arbeiten eng mit den regionalen Gruppen des NABU zusammen und sind offizielle Partner des Nationalpark Wattenmeer
- verarbeiten im Café überwiegend regionale und zum Teil fair gehandelte Zutaten (Ein Teil des Gemüses kommt aus unserem eigenen Garten)
- haben im Café die Standardpapierservietten gegen 100%-Recycling-Servietten ersetzt, die sogar kompostierbar sind
- bieten nun auch vegane Angebote auf der Speisekarte an

Wirtschaftlichkeit gegen Nachhaltigkeit
Es gibt jedoch einige Entscheidungen, die tatsächlich schwieriger werden, wenn ich plötzlich gezwungen bin, nicht nur aus meiner Öko-Perspektive zu argumentieren, sondern auch den wirtschaftlichen Faktor in meine Überlegungen einzubeziehen. Denn schließlich finanziert sich das soziokulturelle Zentrum zum größten Teil aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen und Fördergeldern, die Jahr für Jahr bei mehreren Stellen beantragt und begründet werden müssen. Daher muss jeder Cent, den wir ausgeben, gut überlegt sein.
Euphorie und Ernüchterung
Wir hatten so eine Situation vor einigen Wochen, als es darum ging, unseren 6-seitigen Infoflyer drucken zu lassen. Der beschreibt, was die Seefelder Mühle ist und welche Angebote es dort gibt. Der Flyer ist also mehrjährig aktuell und daher haben wir uns dazu entschieden, ihn nach wie vor auf Papier drucken zu lassen und nicht rein digital anzubieten.
Allerdings erfolgte das bisher immer unter dem Aspekt der günstigsten Kosten. Umweltaspekte blieben da eher unberücksichtigt. Als nun also die Frage anstand, wo wir auf welchem Papier unsere Flyer drucken lassen, war meine erste Ansage: Natürlich nehmen wir einen regionalen Druckanbieter, wählen 100%-Recyclingpapier ohne Veredelung und zahlen zusätzlich noch einen Aufschlag für eine CO2-neutrale Versandart!
Als ich dann die diversen Anbieter und Preise miteinander verglich, wurde ich aber doch ziemlich still, denn die Differenz zwischen nachhaltigem und nicht-nachhaltigem Angebot betrug mehr als 300,- Euro!

Was also tun?
Wir haben uns dann im Team zusammengesetzt und überlegt, welche Entscheidung wir treffen können oder treffen müssen und wir haben uns letztendlich FÜR DIE NACHHALTIGE VARIANTE entschieden, da 300,- Euro noch irgendwie zu stemmen sind und wir mit dieser einen Bestellung ungefähr bis Anfang des nächsten Jahres hinkommen.
Schwieriger war es da schon bei der Suche nach nachhaltig produzierten Sonnenschirmen für die Caféterrasse: Man kann problemlos Schirme im hiesigen Raiffeisenmarkt für 50,- Euro kaufen. Wenn sie allerdings aus Deutschland kommen (Regionalität), aus nachhaltig produziertem Material gefertigt und auch noch reparierbar sein sollen, liegen die Preise pro Stück schnell bei 400,- bis 600,- Euro und wenn man dann sechs oder acht davon braucht, wird die Sache natürlich teuer!
Wir haben daher entschieden, dass die alten Sonnenschirme noch eine Saison halten müssen und haben die Neuanschaffung ins nächste Frühjahr vertagt, in der Hoffnung, dass wir bis dahin den passenden Anbieter gefunden und die finanziellen Mittel zur Verfügung haben.
Fazit & abschließendes Statement
Mir ist in den letzten Monaten klar geworden, dass Entscheidungen für oder gegen nachhaltige Produkte und Dienstleistungen oft von sehr unterschiedlichen Faktoren abhängen.
Oft fehlt das nötige Geld und nicht selten mangelt es an der Bereitschaft zum Umdenken und Handeln. Denn Gewohnheiten und scheinbare Verpflichtungen bilden manchmal hohe Barrieren, die eine Entscheidung schwieriger machen können.
Meine Erfahrung ist jedoch, dass es essentiell ist, das Thema Nachhaltigkeit jeden Tag auf’s Neue ins Gespräch zu bringen und nicht locker zu lassen, wenn es darum geht, kreative Lösungen zu finden und Dinge gemeinsam in die richtige Richtung zu bringen. Das ist anstrengend und manchmal frustrierend, aber es lohnt sich. Für diesen einen Planeten, auf dem ich lebe und für die Lebewesen, die das mit mir gemeinsam tun.
Die Autorin:

Linda Grüneisen
Mein Name ist Linda Grüneisen. Ich lebe mit meiner Familie in Butjadingen, bin Fotografin und arbeite als Geschäftsführerin im Kulturzentrum Seefelder Mühle. In meiner Freizeit engagiere ich mich aktiv im Umwelt- und Tierschutz. Ich lebe seit 2014 vegan und blogge auf meinem kleinen Foodblog.
Ein wirklich schöner Artikel, auf den ich leider erst vor ein paar Tagen gestoßen bin. Danke dafür. Ich bin sehr begeistert davon, wie ihr gemeinsam darüber entscheidet, ob und wie ihr Verbesserungen im Büro durchsetzt. Diese Möglichkeit bzw. diesen gemeinsamen „Spirit“ hätte ich auch gerne, aber leider ist das in meiner recht großen Firma nur sehr begrenzt möglich… Was ich gerne in nächster Zeit unbedingt vorschlagen möchte, ist eine vegane Alternative zur Kaffeemilch :-) Mal sehen.
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Vielen lieben Dank für dein Feedback, Uwe! :-)
Ja, es hilft enorm, wenn die überwiegende Zahl der Mitarbeitenden in einem Betrieb oder Bereich gedanklich auf der gleichen Wellenlänge ist. Dann lassen sich Ideen zu Veränderungen viel leichter umsetzen. Wir drücken ganz fest die Daumen, dass es mit der Pflanzenmilch klappt! Sollte ja eigentlich nicht so schwierig sein, da sie deutlich länger haltbar ist als Kuhmilch, und niemand gezwungen wird, sie zu verwenden. Wir bieten im Mühlencafé der Seefelder Mühle inzwischen auch Hafermilch als Kuhmilchalternative an. Die wird sehr gut angenommen und bietet weniger Diskussionsstoff als beispielsweise Soja- oder Mandelmilch.
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