Nachhaltig verpacken. Geht das?

Nachhaltige Verpackung - Papier, Plastik oder Glas?

Ein Besuch auf dem Wochenmarkt in Nordenham stellte mich vor Fragen. Am einzigen Biostand war ich überrascht, dass der Stangensellerie in einer Plastiktüte angeboten wurde, während alle anderen Gemüse- und Obstsorten offen und unverpackt in ihren Kisten lagen. Nur das mundgerecht vorgeschnippelte Gemüse lag auch noch in einer dieser typischen, aber überflüssigen Plastikboxen. Die wollen offenbar mit dem Trend gehen, beschlich mich schnell ein eher genervtes Gefühl. Fastfood mit Biobeigeschmack. Dem allgegenwärtigen Plastik scheint man nirgends zu entkommen. 

Papier, Plastik, Glas oder was?

Mit der Standbetreiberin, die ich auf die beiden Plastikverpackungen ansprach, begann sogleich eine Diskussion. In deren Verlauf behauptete sie, dass die Papiertüten, die sie für ihre Kunden bereit halte, erst nach 30-maliger Benutzung einen positiveren Co²-Fußabdruck als Plastiktüten hinterlassen würden. Damit rechtfertigte die Standbetreiberin indirekt ihre Plastiktüten und Behälter. Da ich zunächst nicht genau einschätzen konnte, ob die Berechnung stimmt, beschloss ich zu Hause der Sache genauer auf den Grund zu gehen. Konnte es sein, dass eine Papiertüte so schlechte CO2-Werte hat, dass man sie 30-mal benutzen muss, um sie nachhaltig ausgenutzt zu haben?

Welche Verpackung ist denn nun die bessere, die nachhaltigere? Diese Frage stelle ich mir immer mal wieder, wenn ich einkaufe im Supermarkt, im Biomarkt oder auf dem Wochenmarkt. Auch bei Online-Bestellungen habe ich oft ein schlechtes Gewissen, wenn wieder einmal ein kleiner Artikel in einer überdimensionierten Box mit viel Polstermaterial aus Papier, Pappe und vor allem Plastik und Styropor in meinem Postkasten landet. Ich versuche dann immer die Materialien ein weiteres Mal zu benutzen und nutze sie ebenfalls als Verpackungsmaterial.

Doch jetzt habe ich mich entschlossen, dieser existentiellen Frage intensiv nachzugehen:

Welche Verpackung ist die nachhaltigere, welche ist energieintensiver, welche emissionsärmer?

In unsere Blog-Redaktion wurde auch schon oft über das Thema gesprochen. Die Antworten waren mir aber oft zu einfach und zu oberflächlich. Befriedigend waren sie für mich nicht. Wer mich kennt, weiß, dass das für mich keine akzeptable Lösung ist. Und so beginnt meine Suche nach den Ursprüngen der Verpackung, nach ihren Verarbeitungsprozessen, ihren Energieverbräuchen, ihrem Mehrwert und ihrem grundsätzlichen Nutzen.

Kompliziert, aber nicht hoffnungslos

Um die Sache abzukürzen – man könnte eine ganze Menge über dieses Thema schreiben – möchte ich hier nur die wichtigsten Fakten präsentieren.

Papier

Für viele umweltbewusste Konsumenten ist die Papiertüte der Heilsbringer schlechthin. Sie ist die vermeintlich bessere Alternative zur Plastiktüte. Leider stimmt das aber nicht, denn die Sache ist nicht so einfach, wie sie ausschaut. Papiertüten – und ich spreche hier von den ohnehin schon besseren Altpapiertüten – beinhalten immer noch rund 40 % neues Material. Das heißt: Auch für diese Tüten müssen Bäume gefällt werden und frisches Zellstoffmaterial zugeführt werden. Einzig Papier, welches mit dem Blauen Umweltengel markiert ist, weist einen Anteil von 100% Altpapier aus recyceltem Material auf. Diese Tatsache war mir bisher nicht so bewusst.

Papier als VerpackungsmaterialAußerdem verschlingt die Produktion der weißen Papiertüten bis 50% mehr Energie als bei einer vergleichbaren Plastiktüte. Sie sind außerdem chemisch gebleicht. Braune Papiertüten sind weißen vorzuziehen. Beide Produktionen sind sehr wasserintensiv und es werden viele verschiedene Chemikalien eingesetzt. Für eine Tonne Papier wird die gleiche Menge Energie verbraucht wie für eine Tonne Stahl.

Es ist richtig, man muss Papiertüten tatsächlich viele Male benutzen, um die für die Herstellung und Produktion mit den hohen Verarbeitungstemperaturen und den chemischen Zusätzen verprassten Energien und Rohstoffen zu kompensieren. Im Idealfall sind das mindestens 4 Mal in Abhängigkeit von der dicke des Papiers. Da Papier aber nicht so reißfest ist, gelingt das nur manchmal.

Plastik

Die Plastiktüte ist besser als ihr Ruf. Sie muss allerdings auch häufig benutzt werden, damit ihre Umweltbilanz positiver ausfällt. Ein großes Minus ist der Rohstoff Erdöl, aus dem das Granulat hergestellt wird.

Plastikfrei einkaufen

Ein großer Nachteil von Plastik ist nach wie vor, dass es eben nicht verrottet, wenn es in die Umwelt gelangt. Eine Papiertüte kompostiert irgendwann und wird von Bakterien und Kleinstlebewesen zersetzt. Dies geschieht mit Plastik nicht. Auf dessen Verschwinden müssen wir bis zu 400 Jahre und länger warten. In dieser Zeit wird es von Wildtieren verschluckt und gefährdet deren Gesundheit oder es wird vom UV-Licht zerbröselt und geht als Mikroplastik in die Umwelt. Nicht die Produktion ist bei Plastik das Problem, sondern die mangelnde Recyclingquote und die Unzerstörbarkeit.

Glas

Energetisch noch schlimmer ist dagegen Glas. Dessen Produktion geschieht bei bis zu 1650 ° Celsius, wofür enorme Energiemengen benötigt werden. Auch beim Glas gibt es im Idealfall einen Altanteil, der je nach Glasart aber sehr unterschiedlich ausfällt. Weißglas und Braunglas haben den geringeren Anteil von bis zu 70%, Grünglas kann einen Anteil von 90% haben.

Ein Einwegglas ist somit die größere Katastrophe und führt zu einem sehr großen CO²-Ausstoß im Vergleich zu Plastikbehältern. Glas muss also unbedingt öfter benutzt werden. Im Idealfall 50 Mal und mehr. Mayonnaise im Glas, Pesto, Marmelade oder Weine – es sind energetisch betrachtet absolute Luxusprodukte. All diese Gläser sollten nicht sofort nach Gebrach entsorgt, sondern viele Male weiterbenutzt werden. Doch wer macht das?

Stofftaschen

Da sind ja noch die Jute-, Baumwoll- oder Leinentaschen. Ich habe einige alte Schätzchen in Benutzung. Ab und an werden sie gewaschen, aber Löcher bekommen sie nur sehr selten. Getränke und alle anderen flüssigen Stoffe lassen sich darin naturgemäß nicht transportieren oder verpacken. Tragetaschen aus Baumwolle sind nicht automatisch umweltfreundlicher – auch nicht die aus Biobaumwolle. Auch hier muss eine häufige Nutzung garantiert sein, damit ihre Ökobilanz positiv ausfällt. Wer täglich mit diesen Stofftaschen einkaufen geht, ist auf dem richtigen Weg. Untersuchungen der Federal Laboratories for Material Testing and Research der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ergaben einen Ausstoß von etwa 60 Gramm CO² bei einer Papiertütenherstellung und bei Plastiktüten ohne Recyclinganteil waren es etwa 120 Gramm. Bei einer Baumwolltasche lag dieser Wert bei 1.700 Gramm CO². Experten sprechen von mindestens 30 Benutzungen bei Stofftaschen für eine nachhaltigere Ökobilanz als bei Plastiktüten. Das schafft man ziemlich schnell, meist schon innerhalb eines Jahres.

Was kommt denn nun in welche Tüte?

Bei all den Verpackungen fällt eines auf: Nachhaltig zu 100% ist keine von ihnen. Am Ende des Tages bleibt immer irgendetwas übrig, was sich gut zersetzt oder mühsam recycelt, sortiert und verbrannt werden muss. Es wurde viel Energie für die Herstellung verbraucht, hinzu kommen Rohstoffverbräuche, der Transport und der Abtransport.

unverpackt einkaufen

Nicht die Art der Verpackung sondern die grundsätzliche Vermeidung hilft gegen die weitere Vermüllung des Planeten und hilft, den Ressourcen-verbrauch zu senken. Keine Verpackung ist die deutlich bessere Alternative. Es gibt böse und nicht so böse Verpackungen. Keine Verpackung zu benutzen ist der Königsweg, lässt sich aber bei manchen Produkten leider nicht praktisch umsetzen. Je häufiger eine Verpackung benutzt wird, desto besser ist ihre CO2-Bilanz. Zu 100% nachhaltig wird sie niemals sein.

Autorinnenprofil Beatrix Schulte

Autor: Seefelder Mühle

Die Seefelder Mühle ist ein soziokulturelles Zentrum auf dem Land. Zwischen Weser und Jadebusen macht die Mühle das leben bunt! Mit Kulturveranstaltungen und Projekten, die immer dazu einladen sich einzubringen.

5 Kommentare zu „Nachhaltig verpacken. Geht das?“

  1. Sehr gut recherchiert, Beatrix! Das mit dem hohen Energie- und Rohstoffverbrauch war mir so noch nicht klar! Danke für die Infos und den Denkanstoß.

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  2. Danke für die Recherchearbeit. Zwei Dinge sind mir aber noch nicht ganz klar. „Für eine Tonne Papier wird die gleiche Menge Energie verbraucht wie für eine Tonne Stahl.“ Woher kommt diese Info? Ich habe in der Stahlproduktion geareitet, und wenn man gesehen hat, wie glühender Stahl aus dem Hochofen kommt, wirkt diese Aussage doch sehr unwahrscheinlich. Und wenn die ETH Zürich angibt, dass bei einer Papiertütenherstellung 60 Gramm CO² anfallen, bei Plastiktüten ca. 120 Gramm und bei Baumwolltasche 1.700 Gramm, warum soll letztere dann mindestens 30 Mal benutzt werden? Nach diesen Werten ist die Papiertüte doch die bessere Option, eine Plastiktüte muss mind zweimal durchhalten und der Stoffbeutel 15 Mal gegenüber der Plastiktüte. – Unabhängig davon ist die Schlussfolgerung, Verpackung möglichst zu vermeiden, natürlich die beste Lösung :-)

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    1. Ich bin noch etwas vergrippt, versuche aber deine Frage möglichst genau zu beantworten.

      Vielleicht ist es nicht so deutlich geworden. Bei den von den Zahlen der ETH Zürich handelt es sich um die reinen für die Herstellung benötigten Energiemengen. Darin nicht enthalten sind der Antransport der Ausgangsstoffe, deren Gewinnung oder der Abtransport der Reststoffe. Auch nicht die eventuelle Recyclingquote, die insgesamt für eine bessere Energiebilanz sorgen kann. Bei der Papierherstellung bzw. der Zellstofffaserverarbeitung werden auch viele chemische Zusatzstoffe benötigt und Luft und Wasser werden höher belastet als bei der Plastikproduktion. Ob Papier oder Plastik – entscheidend ist der Einsatz der Rohstoffe (neues Material, altes Material) und die Art der Entsoprgung (Recyclingquote). Wenn man alles berücksichtigt, kommen für Papier deutlich schlechtere CO²-Werte heraus als für Plastik.
      Bei den Baumwolltaschen muss zu den genannten Werten auch noch die Energiemenge berücksichtigt werden, die für den Anbau und die Ernte bzw. den Chemikalieneinsatz bei konventionell angebauter Baumwolle, Transporte etc. berücksichtigt werden.Auch dadurch steigen die CO²-Werte nochmal deutlich an.

      Zu der Energiemenge für eine Tonne Stahl bzw. Papier:

      Laut World-Watch-Institut wird für die Herstellung von einer Tonne Papier wird die gleiche Menge an Energie verbraucht wie bei der Herstellung von einer Tonne Stahl.
      Im Detail: Nach Angaben der Fa. Valmet (Quelle: APR 1/99 S. 18) beträgt der aktuelle Ressourcenverbrauch pro Tonne Papier:
      – Frischluftbedarf 25.000 cbm bzw. 30 Tonnen
      – Wasser 13 cbm
      – Holz 2,5 cbm (Hierunter fallen alle Fasergewinnungsarten, also auch das Holzstoffverfahren mit 90 % Ausbeute)
      – Öl 0,12 cbm
      Laut Verband der Deutschen Papierfabriken verbraucht die Herstellung einer Tonne Papier rund 2800 kWh.
      Für die Herstellung einer Tonne Stahl werden etwa 20 Gigajoule (5.600 kWh) Energie benötigt. Wird Schrott mit einem Elektroschmelzofen verarbeitet, werden für die Produktion von einer Tonne flüssigem Stahl etwa 450 kWh gebraucht.

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  3. Zuallererst einmal gute Besserung und Danke für die zusätzliche Mühe. Dass die Zahlen der ETH rein auf die Produktion beschränkt sind, hatte ich tatsächlich so nicht verstanden. Allerdings halte ich die zusätzlichen Faktoren auch für nur schwer vergleichbar. Eine wichtige Rolle spielt bei Papier z.B. die Form der Oberflächenveredelung. Wird bei der Plastikherstellung auch die Erdölförderung mit einberechnet und die Schäden durch Tankerhavarien? Wenn Bäume ins Wasser gelangen, ist das der normale Transportweg, bei Erdöl hingegen eine Naturkatastrophe. Und wie Du selbst sagst: Die Recyclingquote ist das A und O. Wenn nur 10% des Plastiks recycelt werden, sind die ganzen schönen Berechnungen für die Tonne.
    Der Vergleich bzgl. des Energieaufwands Papier-Stahl scheint mir immer noch zu hinken. Schrott wieder einzuschmelzen statt Erz zu verhütten braucht natürlich weniger Energie, nur ist das nicht die Regel, und umgekehrt würde das für die Produktion von Papier aus Altpapier auch gelten. Abgesehen davon liegt der Schmelzpunkt von Stahl weit über 1000 Grad, während der Zellulosebrei nur zu Bahnen ausgerwalzt und getrocknet werden muss.
    Letztlich bleibt die vernünftigste Lösung, wie Du schon sagst, Müll gar nicht erst zu produzieren und Energie zu sparen. Und das Beste daran: Wir müssen gar nicht so viel Neues erfinden, weil es uns schon Leute vorgemacht haben. Unsere Großeltern. Meine Oma hatte immer ein Einkaufsnetzt in der Tasche, und Strohhalme z.B. waren genau das, Halme aus Stroh, also aus organischen Materialien, biologisch Abbaubar, kompostierbar… dafür brauch man man heute ein innovatives Start-up und crowdfunding.

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